Ein Sandstrand

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Lilith landete und spürte den weichen Sand unter ihren Füßen.
Hier war niemand und hoffentlich würde auch niemand kommen..sie wollte nicht immer flüchten.
Seufzend sah sie aufs Meer hinaus.

Luca flog über das Meer hinweg und genoss den angenehmen Wind zwischen seinen Flügeln. Das Wetter war heute seiner Ansicht nach perfekt. Sanft landete er im Sand, wobei ihn eine größere Welle streifte.
Das kühle Wasser beruhigte seine Seele. Barfüßig ließ er weitere Wellen gegen seine Füßen prallen. Seine weiße Leinenhose wurde an den Beinen feucht, doch es störte ihn weiter nicht. Sein schwarzes Hemd war weiter aufgeknöpft und braungebrannte Haut schimmerte durch.
Er drehte sich schlagartig um und sah ein Mädchen, man möge glauben fast schon eine erwachsene Frau, wenn man die Erfahrung und den leidgeprüften Blick sah in ihren Augen. Er näherte sich ihr leicht, blieb aber in einem gewissen Sicherheitsabstand stehen.
"Hi!", sagte er mit ruhiger und fast schon sanfter Stimme.

Daphne war dem Mädchen bis hier hin gefolgt und landete nun, die in allen Farben schimmernden Feder in ihre Hand, leicht füßig auf dem Boden.
Sie schaute sich um und entdeckte sie. Langsam ging sie auf sie zu. "Hallo." sagte sie vorsichtig.
Als sie an ihr vorbei schaute, weiteten sich ihre Augen.
Ein junger Mann stand vor der Fremden und sie wich unwillkürlich zurück.
Bilder schossen in ihr auf, die sie die ganze Zeit verdrängt hatte.
Sie keuchte leise auf und zitterte am ganzen körper.

Lilith fuhr herum und sah den Racheengel. Unsicher was sie tun sollte sah sie ihn nur an,
als sie die Stimme eines Mädchens hörte. Sie drehte sich wieder um und erkannte das Mädchen von den Klippen.
Warum war sie ihr nur gefolgt? Oh Mädchen, du hat kein Glück, Racheengel und Scherbenengel...keine gute Kombination
Sie schoss vor, schnappte sich Daphne und flog mit ihr hoch in die Luft, erstaunliche Kräfte entwickelnd.
"Hör mir zu: Du bist hier in Gefahr, du musst fort. Da du mir gefolgt bist, nehme ich an du möchtest etwas, wenn du es immer noch möchtest, komm später zum See. Aber jetzt musst du hier fort", eindringlich sah sie sie an.

Daphne zitterte am ganzen Körper.
Sie spürte Hände an ihrem Armen und sofort schoss ihr eine Erinnerung ins Gedächtnis.

Langsam kam der Racheengel bedrohlich näher. Genüsslich leckte er sich über die Oberlippe und schaute Daphne mit gierigen Augen.
Bewegungslos blieb sie an der Wand gepresst und schaute ihn mit angstgeweiteten Augen an. "Bitte.." flehte sie. "Tue mir nichts..." Ihre stimme war hoch, melodisch. Mit gefährlichen Schritten war der Engel bereits bei ihr und packte sie an den Armen. Seine Lippen berührten ihren Hals, wanderten weiter nach unten....

Da brach das Bild ab. "Fass mich nicht an!" schrie Daphne und schlug um sich. "Bitte..."

Oh, was hatte sie nur erlebt? Mitgefühl durchflutete Lilith. Sie sah zu dem Racheengel.
Es schien als ob er das ausgelöst hatte. Vermutlich ein schlechtes Erlebnis in der Vergangenheit.
Sie ächzte, als sie den zitternden Engel wie ein kleines Kind auf die Arme nahm und sie wiegte.
"Schh...ganz ruhig, ich bin da, niemand tut dir was, ich beschütze dich"
Vor den anderen...und vor mir...
Mit ihr im Arm flog sie ein ganzes Stück weg von dem Racheengel, ans andere Ende des Strands, wo sie landete und
das Mädchen absetzte. Sie schloss die Hände des Mädchens um die Feder die sie noch hielt. "Komm zu dir. Du solltest weg hier, solange er noch hier ist" Sie sah zu dem Racheengel. "Also geh, wenn du mich brauchst, reib die Feder und denk an mich. Ich bin Lilith"

"Ihr sagt alle ihr beschützt mich. Doch in Wirklichkeit seid ihr selbstsüchtig und angenervt von jemanden wie mich." flüsterte sie leise.
Ich habe Angst... Vor ihm.. vor allen....
Sie versteifte sich, als Lilith ihre Hände um Daphnes legte. Vorsichtig legte sie ihre Flügel um ihren Körper als Schutz vorallem.
Warum war sie Lilith nur gefolgt? Ihre Neugierde würde sie noch mal umbringen...

Lilith seufzte. Sie wusste nicht wie lange sie noch die Kontrolle über sich behalten konnte, sie war schon außergewöhnlich lange 'sie selbst'.
"Ich weiß nicht was man dir angetan hat, aber ich weiß eines: Ich bin weder genervt noch selbstsüchtig. Alles was ich täglich erlebe ist mich selbst zu verlieren. Verflucht, du musst wirklich fort, ich bin ein Scherbenengel, verstehst du? Ich kann mich nicht kontrollieren. Nicht lange"
Ihre Stimme war bitter, als sie sich zum Gehen wandte. "Lebewohl, denk dran: Wenn du mich einmal brauchst, wirklich brauchst, benutze die Feder" Sie schwang sich in die Lüfte. "Folge mir besser nicht nocheinmal" Es klang eindringlich, aber sanft.

Daphne saß noch auf dem Boden und schaute sich ängstlich um.
Der Racheengel schwebte noch immer da und sie fühlte sich wie gelähmt.
Wie damals....
Fest drückte sie Lilith Feder an sich.

Lilith flog zurück zu dem Racheengel, nicht weil sie ihn kennenlernen wollte, sondern weil sie das Mädchen schützen wollte.
"Hallo", erwiderte sie nun endlich die Begrüßung von ihm. Argwöhnisch hielt sie Abstand, die schillernden Flügel zuckten.
Was er wohl hier will?

Daphne fand irgendwann ihre Kraft wieder. Langsam rappelte sie sich auf, breitete ihre Flügel aus und flog fluchartig davon.

>>> Vorhof

Lucas Fäuste ballten sich leicht, seine Gedanken wurden schwarz, wie die Nacht, als er mitanhören musste, was die beiden miteinander zu bereden hatten.
Ein Scherbenengel.....und ein Engel, der mich anklagt für etwas, was ein anderer ihr angetan hat. Bleib einfach ruhig, Luca, ganz ruhig.
Wieder schoss ihm ein Gedanke durch den Kopf.
Sie ist ein SCHERBENENGEL!
Fest sah er Lilith in die Augen mit einem hasserfüllten und fast schon rachedürstigen Blick.

Lilith wich zurück, erschrocken. Was hatte er?
Sie sah zum Himmel. Sollte sie fliehen? Es wäre vermutlich besser.
Langsam ging sie einen Schritt rückwärts, Panik in ihren Augen.

HALT! Ich DARF sie nicht für etwas verurteilen, was mir jemand anderer angetan hat.
"Sag mir, hast du irgendeinen anderen Scherbenengel in deiner Familie, einen männlichen?"
Sag bitte nicht ja, nicht ja sagen, ich würde dir den Kopf abreißen.
Sein Atem ging ungleichmäßig und er ballte seine Fäuste noch mehr, sodass sie schon weiß vor Anspannung wurden. Sein Gesicht lockerte sich ebenfalls nicht und hatte noch dieselben angespannten Züge.

Warum will er das wissen?
Zögernd antwortete sie. "Nein...ich bin die einzige die gefallen ist"
Zur Schande meiner Mutter... Immer noch sah er wütend aus, sie sollte wirklich gehen...
aber sie konnte es nicht.

Augenblicklich lockerten sich seine Hände und er atmete wieder ruhig und gleichmäßig.
Glück gehabt, ich hab echt großes Glück gehabt...
Seine Gesichtszüge lockerten sich ebenfalls und seine Augen gewannen wieder an Freundlich- und Höflichkeit. Sie schienen durch die braune Haut smaragdgrün zu funkeln.
Sofort erinnerte er sich wieder an die üblichen gesellschaftlichen Höflichkeitsregeln.
"Entschuldige mein zügelloses Verhalten zuvor. Ich habe einfach eine gewisse Ablehnung gegen Scherbenengel aus Gründen, die aus meiner Vergangenheit kommen. Natürlich kannst du dafür nichts, deswegen möchte ich mich nochmals entschuldigen."
Er senkte leicht seinen Kopf.

Sie sah ihn ruhig an. "Ist in Ordnung. Wir sind nicht die besten der Engel"
Lilith war es gewöhnt, dass man sie nicht gerade freundlich behandelte. Entweder man rannte panisch davon
oder versuchte sie anzugreifen...eines von beidem. Die Freundlichkeit des Jungen, nein beinahe des Mannes vor ihr,
war seltsam.

"Du hast Recht, meist hat man entweder Angst vor uns oder man greif uns an, aber glaub mir mein Angriff hat sich wirklich nicht gegen dich gerichtet, es kam nur einfach so über mich."
Er schüttelte leicht den Kopf und wusste dabei aber nicht, dass er gerade das gesagt hatte, was Lilith gedacht hatte.
"Wenn ich fragen darf, wie ist dein Name?" Mit teils neugierigem, teil skeptischen Blick musterte das Mädchen, dass auf dem besten Weg war eine junge Frau zu werden.

Kann er Gedanken lesen?
"Du darfst. Mein Name ist Lilith" Sie seufzte. "Zumindest ist das der Name dieser Persönlichkeit"
Ihre anderen Persönlichkeiten hatten alle ihre eigenen Namen...sie kannte sie nahezu alle.
Es war nur eine Frage der Zeit, bis wieder eine von den anderen die Kontrolle übernahm.
Sie konnte nur hoffen dass er nie auf Diana traf...das war ihre kriegerische Form, sie war unnahbar und gefährlich.

"Verstehe, also freut mich Lilith dich kennenzulernen."
Er machte eine kurze Pause um nachzudenken.
"Vielleicht ist es unverschämt soetwas persönliches zu fragen, aber wie oft hat sich deine Persönlichkeit ca. gespalten?"
Er sah ihr wieder in die Augen, die so undurchdringlich wirkten.
Dieser andere Scherbenengel hatte nur 3 verschiedene Persönlichkeiten. Alle 3 waren durch und durch böse. Okay, ich sollte nicht mehr darüber nachdenken, sonst werde ich nur noch wütender.
Luca beruhigte sich wieder innerlich.

Lilith war verwirrt. Noch nie hatte jemand sie danach gefragt.
Nicht sicher, ob sie nicht besser wegrennen sollte, antwortete sie knapp "Mich mit eingerechnet, fünfmal"
Sie ging einen winzigen Schritt rückwärts. Heute schien wirklich der Tag für Begegnungen zu sein, normalerweise
traf sie nie jemanden auf ihrer Reise.

"Oh...was auch immer in deiner Vergangenheit passiert ist und so viele Spaltungen hervorgerufen hat, das tut mir wirklich Leid. Ich...ich möchte mich auch nochmals für mein grobes Verhalten vorher entschuldigen. Es war wirklich nicht in Ordnung."
Er bemerkte den Schritt, den sie zurückmachte.
Wenn ich es schaffe meine Wut zu besiegen und mich vielleicht mit einem Scherbenengel anfreunde, vielleicht schaffe ich es dann auch endlich wieder ein reiner Engel zu werden.
Der Gedanke war ausgedacht, doch dann verwarf er ihn schnell wieder.

Lilith legte den Kopf schief. Es schien ihm ernst zu sein mit der Entschuldigung.
"Schon gut, ich bin sowas gewöhnt. Man gewöhnt sich an alles", sie konnte nicht verhindern, das ein leicht bitterer Klang in ihrer Stimme lag.
Man gewöhnte sich daran nie die Kontrolle zu haben, man gewöhnte sich daran von der eigenen Mutter gemieden zu werden.

"Verstehe...", er verstummte und sah kurz über das Meer hinweg.
Man kann sich glaube ich nicht an alles gewöhnen. Manchmal spielt man sich das nur vor, aber tief im Innersten ist es jedes Mal ein Schlag, die die schon vorhandene Wunde aufreißt und bluten lässt. Man kann sich nie an alles gewöhnen, es gibt immer Dinge, die wehtun.
Seine Gedanken schweiften ab. Dann spürte er plötzlich, wie eine kühle Welle seine nackten Füße umspielte. Anscheinend war die Ebbe vorüber und die Flut kündigte sich an. Er machte einen kaum merkbaren Schritt zur Seite um wieder auf dem trockenen Sand zu stehen.
Erst nach der langen Schweigepause, bewegte Luca wieder seine Stimmbänder, als würde er seine eigenen Gedanken abschließen:"Nun ja, wie auch immer.
Woher kommst du eigentlich?" fragte er versucht beiläufig.

Im Gegensatz zu ihm blieb Lilith stehen und genoss das Gefühl des Wassers an ihren Füßen.
"Aus Cedar", sagte sie. Es war seltsam hier zu stehen und mit einem Racheengel zu plaudern,
solange hatte niemand mit ihr reden wollen und dann das.