1. Stock - Der Flur

Lilith kam oben an und fand sich in einem langen Flur wieder.
Viele schwere Holztüren gingen davon ab, hinter denen sich verschiedene Räume verbargen. Neugierig betrachtete sie die Bilder an der Wand.

Luca tauchte hinter ihr auf und sah sich zuerts prüfend um. Um so mehr er sah, um so besser gefiel es ihm hier. Immerhin würde er vermutlich einige Zeit in diesem Herrenhaus verbringen.
Schließlich hatte er immer noch eine Ziel, dass er verfolgte oder besser gesagt einen Engel, den er verfolgte, doch er wollte daran nicht denken, nicht in der Gegenwart Liliths. Er kam sich sonst so schlecht vor.
Er kam lautlos von hinten und schlang seine Arme um ihren Bauch. Dann stützte er leicht sein Kinn auf ihre Schulter und sah auf das Bild, das sie gerade betrachtete.
"Nicht schlecht, seltsamerweise sehr farbenfroh für so ein altes Haus, was meinst du?" Kunst war nicht sein Spezialgebiet, aber ein bisschen was wusste er schon.

Lilith zuckte kurz zusammen als er sich so anschlich und sie umarmte, entspannte sich dann aber in seinen Armen. Sie sah nachdenklich auf das Bild vor sich. Es zeigte eine bunte Blumenwiese durch die ein Bach floss. In der Ferne konnte man eine rotgewandete Gestalt erkennen. "Vielleicht hat es jemand der früheren Bewohner hierher gebracht. Wir sind sicher nicht die Einzigen die hier Unterkunft gefunden haben"

"Stimmt, das Haus ist sicherlich eines derjenigen, die schon eine lange Liste an Bewohnern aufweisen. Ich bin mir sicher, hier sind schon viele Engel ein- und ausgegangen, aber bis jetzt gehört uns das Haus noch allein, oder?"
Er war für einen Moment absolut ruhig, konnte aber nicht ein Geräusch ausmachen. Durch seine erlebten Kriege, hatte er ein geschärftes Hörvermögen, da sich seine Truppe oft verstecken musste oder irgendwo auf irgendwen lauern.
"Was hältst du davon, wenn wir uns mal einen Raum aussuchen?" Luca grinste breit.

Lilith drehte sich in seinen Armen um. Einen Raum? Das bedeutet...sie würden sich ein Zimmer teilen? Kyle war davon nicht so begeistert, aber Lilith ignorierte ihn. "Sicher", meinte sie und löste sich aus seiner Umarmung, bevor sie den Gang entlang stürmte und neugierig in die Zimmer hinein blickte.

Im einen Moment war sie noch in seinen Armen, im anderen eilte sie schon durch den Gang. Er schmunzelte und konnte den Gedanken nicht abschütteln, dass Lilith einem Schmetterling ähnelte. Wunderschön, begehrenswert, anziehend, verträumt, aber nie einzufangen.
Er folgte ihr in gemäßigtem Schritt und überließ ihr die Auswahl eines Zimmers. Immerhin gab es davon genug und er war sich sicher, sie würde die Wahl gut treffen.

Bei der dritten Tür rechts wurde sie fündig.Lilith betrat den Raum und drehte sich, während sie sich umsah. Die Wände waren weiß gestrichen, jedoch verliefen über alle vier Blumenranken die ihre Farben langsam wechselten, wie ein Regenbogen. Die Ranken liefen die Wände hinauf und trafen sich in der Mitte der Decke zu einem Geflecht aus Farben. "Wow", brachte sie heraus.
Mit leuchtenden Augen drehte sie sich zu Luca um.

Luca stellte sich hinter Lilith und sah über sie hinweg in den recht großen Raum. Die Wandbemalung war einzigartig, so filigran und schön gearbeitet, dass sie einem wirklich den Atem raubte.
"Perfekt", sagte er beinahe schon im Flüsterton, mit ein wenig Ehrfucht in der Stimme. Nachdem er für einige Momente die Blumenranken verfolgte, fiel sein Blick direkt in das Zimmer hinein. Nicht nur das die Bemalung schön war, nein das ganze Zimmer war herrlich eingerichtet. Die Farben waren bunt, aber keinesfalls schien es chaotisch, ganz im Gegenteil jedes noch so kleine Detail schien abgestimmt zu sein.

Lilith lächelte, glücklich, dass es ihm auch gefiel. Sie sah sich nun genauer um, betrachtete die Möbel. Ihr Blick fiel auf das große Himmelbett, mit den hellen Vorhängen. Es war riesig, sicherlich groß genug um 4 Personen darin zu beherbergen. Aber hier waren nur Lilith und Luca. Lilith. Du wirst sicherlich nicht, begann Kyle, wurde aber überraschend von Diana unterbrochen. Es ist ihre Sache, Kyle.

Luca sah Lilith an und folgte dann ihrem Blick. Er war ganz bezaubert von den älteren Möbeln, man konnte sogar eine Terrasse von diesem Raum betreten.
Er betrat das Zimmer und ging in die Richtung des Himmelbettes. Umgeben war es von hellen beigefarbenen dünneren Vorhängen. Er ließ sich auf das riesige Bett fallen und stellte fest, wie bequem es war.
"Gut, den wichtigsten Test hat es bestanden. Magst du auch einmal ausprobieren?", fragte er neckisch und deutete auf die Seite neben sich.

Lilith wurde rot und verfluchte ihre helle Haut, auf der man dies nur zu deutlich sah. Sie zögerte kurz, aber das Bett sah so weich und einladend aus...Kurzerhand schmiss sie alle Bedenken über Bord und ging hinüber. Sie setzte sich zögerlich auf die Bettkante, spürte wie weich und bequem die Matratze war und ließ sich dann vollends auf diese sinken, sodass sie neben Luca lag.
"Hmm...bequem", meinte sie und kuschelte sich zufrieden in die Laken.

"Finde ich auch."
Luca drehte sich zu ihr auf die Seite und sah ihr so genau in die Augen.
"Na was meinst du? Gefällt es dir hier?"
Er für sich selbst, fand es eine recht gute Idee eine Pause in seiner Mission, den Scherbenengel, der das Leben seiner Familie und vor allem seiner Schwester zerstörte, zu unterbrechen. Da kam ihm in den Sinn, wusste Lilith überhaupt, dass es der Scherbenengel war, der ihn fallen ließ? Er war sich nicht sicher, doch er ließ das Thema.
Auf jeden Fall wurde ihm klar, dass er sich vermutlich in Lilith verliebt hatte.

Lilith nickte und lächelte ihn an. "Ja. Es ist wunderschön hier", meinte sie. Wie schnell sich alles wenden konnte...noch am Anfang des Tages war sie alleine gewesen, ohne jemanden der sie auch nur ansehen wollte. Und nun? Nun lag sie hier mit einem Racheengel, von dem sie nicht so recht wusste, was sie für ihn empfand. Das Schicksal ging seltsame Wege.

Luca stand wieder auf und sagte:" Ich bin gleich wieder da."
Mit diesen Worten verschwand er aus dem Zimmer, lief in einer wahnsinnigen Geschwindigkeit die Treppen hinunter, suchte die Küche, die er auch erfolgreich fand und suchte all die Dinge zusammen, die er brauchte. Dann ging er kurz hinaus in den paradisischen Garten, kehrte zurück und betrachtete sein Werk. Zufrieden nahm er das große Tablett, ging die Treppen wieder hinauf, zurück in das Zimmer.
Er legte das Tablett ins Bett und sagte dann lächelnd:" Kaltes Mittagessen im Bett!"
Das hölzerne Tablett war mit vielen Früchten, Gemüse, Brot, Käse, Wurst, Milch, frischgepressten Saft, Palatschinken (Pfannkuchen) und vielen weiteren Dingen voll. Unter anderem war auch eine kleine Vase mit einer Hibskusblüte darin dabei.

Lilith richtete sich auf und sah mit großen Augen auf das Tablett. Darauf türmten sich alles mögliche an Essbarem und neben all den Leckereien stand eine Vase mit einer wunderschönen
Blüte. Sie beugte sich vor und roch daran.Hibiskus...hmm,dachte sie genießerisch. Sie gab Luca einen Kuss auf die Wange.
"Das sieht lecker aus", meinte sie fröhlich und hockte sich im Schneidersitz vor das Tablett. Es war Ewigkeiten her, dass sie zuletzt im Bett gegessen hatte. Das letzte Mal als sie ein Kind war, als ihr Vater noch gelebt hatte.
Sie schüttelte den Gedanken ab und konzentrierte sich wieder auf das Hier- und Jetzt, in dem ein unglaublich netter Racheengel ihr ein wundervolles Essen gezaubert hatte.

Luca saß mit nur einem schwungvollen, aber sanften Sprung ebenfalls im Schneidersitz am Bett, neben ihr, vor dem Tablett. Es war so viel darauf. Es hätte sicherlich für 3 ausgehungerte, große Männer gereicht und die hätten nicht alles aufgegessen.
Da Luca immer eher wenig, dafür umso genussvoller aß, nahm er auch jetzt fürs erste nur einen Apfel und biss herzhaft davon ab.
Nachdem er den ersten Bissen hinuntergeschluckt hatte, sagte er lächelnd:" So stelle ich mir Leben vor."

Lilith richtete ihre Augen auf die Pfannkuchen und schnappte sich einen. Wann hatte sie zuletzt so etwas gegessen?
Sie nahm einen zaghaften Bissen und ihre Augen begannen zu leuchten. Das schmeckte himmlisch!
"Das ist einfach nur lecker", bemerkte sie und lächelte.
"Du hast Recht, so ist das Leben gleich viel schöner"

Es freute ihn, dass es ihr schmeckte.
Er nahm die letzten Bissen von seinem Apfel, bevor er ihn in den Mistkübel beförderte.
Sein Blick glitt beim Fenster hinaus und er sah, wie die Sonne hinunterbrannte. Nicht ein Lüftchen schien zu gehen.
Luca fühlte, wie gut es ihm ging, neben Lilith. Bei ihr hegte er keine Rachegedanken, bei ihr war er der alte, charmante Kriegerengel.
"Hast du Lust später noch einen Ausflug zu machen?"
Auch er schnappte sich einen Pfannkuchen und stellte fest, dass sie ihm gut gelungen waren.

Lilith trank ein wenig von dem Saft um ihre inzwischen trockene Kehle zu beruhigen, dann nickte sie. "Gerne", meinte sie.
Sie hatte sich selten so wohl gefühlt wie in diesem Augenlick.
Paradoxerweise mit einem Racheengel an ihrer Seite. Aber das zählte jetzt nicht. In diesem Augenblick war er einfach nur Luca und sie einfach nur Lilith.

Luca dachte laut nach.
"Hmmm...wir können nach Djin, in die romantische Waldstadt oder in eine andere Stadt, ich kenn da so ein kleines, verträumtes Dörflein am Meer oder du möchtest in eine der größeren Städte."
Er lehnte große, laute Städte ja komplett ab, aber er wollte die Entscheidung Lilith überlassen. So konnte er herausfinden, was ihr ganz besonders gut gefiel, was sie mochte, was sie bevorzugte und er nicht so mochte, ohne danach direkt fragen zu müssen.
Auch er nahm einen Schluck von dem Saft.

Lilith schüttelte den Kopf "Ich mag große Städte nicht besonders", erklärte sie. "Zuviel Lärm und zuviele andere Engel deren Blicke mich verfolgen."
Sie dachte darüber nach. Am Meer hatte sie sich schon eine ganze Weile aufgehalten, es war Zeit für etwas Abwechslung.
"Lass uns nach Djin gehen", beschloss sie. "Ich war ewig nicht mehr dort."

"Die Idee find ich genial!"
Lilith wurde ihm immer sympathischer. Auch sie mochte große Städte nicht, die Menschenmassen und den Lärm. Er stellte fest, dass die beiden einige Gemeinsamkeiten hatten. Kurz erinnerte sich Luca an den Beginn des Tages, an dem die beiden sich zum ersten Mal begegneten. Wie viel Misstrauen zwischen ihnen lag, wie viel Gefahr drohte für einen Racheausbruch auf seiner Seite und einen Wechsel zu Diana auf ihrer Seite. Er erinnerte sich kurz an den Kampf zwischen Diana und ihm. Da bekam er plötzlich einen Lachkrampf, als er sich das Bild noch einmal durch den Kopf gehen ließ. Er bekam kein Wort heraus, sondern lachte nur mehr, ohne Erklärung worüber.

Perplex starrte ihn Lilith an, als er so unerwartet in Gelächter ausbrach und sich nicht mehr einzukriegen schien.
"L..Luca?", fragte sie vorsichtig und tippte ihn an. "Ist alles in Ordnung?"
Er ist vollkommen verrückt, stellte Diana trocken fest. Ich habe es die ganze Zeit geahnt.

Nachdem er sein Lachen wieder einigermaßen unter Kontrolle gebracht hatte, sagte er immer noch durch Lachanfälle unterbrochen:" Das Bild in meinem Kopf ist einfach zu lustig. Ich weiß nicht, ob du das so deutlich mitbekommen hast, aber als Diana und ich kämpften, standen wir beide fast nackt da. Es war ein äußerst schneller, anstrengender und schwieriger Kampf, aber er war beinahe nackt. Ich habe so noch nie gekämpft und wenn man noch den Stolz von Diana hinzurechnet..."
Er lachte wieder, beruhigte sich aber schließlich um Diana im Inneren nicht zu sehr zu verärgern, obwohl er sich beinahe sicher war, dass sie sowieso schon wütend genug auf ihn war, nach seinem Lachkrampf.

Diana schnaubte. Krieger hin oder her, ich bring ihn um, fauchte sie. Kyle hielt sie zurück. Ruhig Blut, Diana. Lucy fand das alles sehr amüsant und lachte.
Auch Lilith fand es eher lustig. Sie lachte Luca an. "Diana will dich umbringen", teilte sie ihm gut gelaunt mit. "Aber der Rest findet es lustig."
Es war auch wirklich skurril wie ein so ernsthafter Kampf in Unterwäsche ausgetragen werden konnte. Lilith fand es auch ein wenig peinlich, immerhin war Dianas Körper auch ihr Körper der da nahezu unbekleidet herumgerannt war.