Der Rosengarten

----------------------------------------------------------------------------------------------------
Liv-Ciel betrat die Schulgärten, genauer gesagt ihren liebsten Teil davon. Den Rosengarten hatte sie selbst angelegt.
Die unterschiedlichsten Rosenarten blühten hier, rote, gelbe, roséfarbene, weiße...nahezu jegliche Farben waren vertreten.
Sie führte Erik durch den Garten und blieb an einer Hecke stehen. Vorsichtig strich sie die Zweige eines Rosenstrauchs beiseite
und schlüpfte durch ein Loch in der Hecke. Dahinter befand sich ihr Zufluchtsort, ein kleiner weißer Pavillon, der neben einem Teich lag.
"Das hier ist mein liebster Ort in der ganzen Schule", erklärte sie Erik.

Erik sah sich um und erblickte die verschiedensten Rosen. In allen Farben blühten und strahlten sie um die Wette.
Als er dann zu dem Pavillon geführt wurde, war er begeistert und sofort fiel ihm auf, dass anscheinend in Liv-Ciel auch eine kleine Romantikerin steckte, denn der Teich, die Rosen, all das hatte einen ziemlich großen Romantikfaktor.
"Also anscheinend bin ich nicht der einzige mit diesem Tick." Er lächelte und setzte sich auf die gemütliche Bank unter dem Dach des Pavillons und bewunderte diesen Zufluchtsort, der so versteckt hinter den Hecken war, dass er alleine niemals hergefunden hätte. Alles war umgeben mit den Rosen und er fragte interessiert:" Kümmerst du dich selbst darum? Denn wenn ja, muss ich dir echt ein Kompliment machen, du hast einen grünen Daumen."
Er lächelte leicht, sah ihr kurz in die Augen, bevor er sich wieder abwandte und den Teich bewunderte. Der Duft, der über diesem Ort lag, war magisch.

Sie lachte und folgte ihm. Liv-Ciel ließ sich neben ihn auf die Bank sinken und sah zum Teich.
"Ich habe einen Gärtner für den restlichen Garten, aber den Rosengarten pflege ich selbst. Ich habe ihn damals angelegt,
als ich die Schulleitung übernommen habe"
Der Duft der Rosen stieg ihr in die Nase und sie atmete tief ein.
Wunderschön...

"Also, ich bin echt begeistert von dieser Schönheit."
Er sah in den Garten und bemerkte erst die Zweideutigkeit nach ein paar Minuten und schmunzelte leicht.
"Welche Farbe gefällt dir am besten von all den Rosen, die es hier gibt?"
Nochmals sah er sich alle in sich verworrenen Sträucher und Hecken an. Da waren alle Farben dabei, sonnengelb, zartrosa, knallpink, kirschenrot, meerblau usw. usw. Es war wirklich unfassbar, wie weit die Palette reichte.

"Eine schwere Frage...aber ich denke diese hier" Sie zeigte ihm einen Rosenstrauch, dessen Blüten in einem wunderschönen Blau erblühten und deren innere Blütenblätter eine dunklere Schattierung zeigten.
"Sie haben eine einzigartige Blaufärbung, die sich nach innen verdunkelt...so ähnlich wie eine Seele aussehen kann", sagte sie nachdenklich.

Er sah sie mit einer Mischung von Erstauntheit und großer Verwunderung an.
Schon als er den Garten betrat, waren ihm sofort diese blauen, nach innen dunkel schattierten aufgefallen, denn er hatte ja eine besondere Beziehung zu allem Blauen durch seine Fähigkeit.
"Seltsam, es ist auch die Farbe, die mir am besten gefällt", antwortete er nach einer langen Nachdenkpause.
Dann fügte er noch flüsternd etwas hinzu:" Deine Seele...?" Seine Stimme klang ernst, aber gleichzeitig auch äußerst weich.

Sie sah ihn an und lächelte ein erschöpft wirkendes, beinahe trauriges Lächeln.
"Vielleicht. Vielleicht spiegelt es meine Seele wieder"
Nach außen hin bin ich fröhlich und strahle Licht aus, aber in mir gibt es Abgründe, die man nie erwarten würde.
Je tiefer man vordringt, umso dunkler wird es. Hoffnung verblasst. Die äußere Fassade ist leicht aufrechtzuerhalten.
Aber niemand kann sein Innerstes verstellen.

Er musterte sie und erkannte wieder ihre Trauer.
"Auch das dunkelste Innenleben kann wieder an strahlender Farbe gewinnen. Der Glaube, der Wille und die Unterstützung zählt, doch am wichtigsten ist, sich nicht zu verstecken oder seine Gefühle unter einer Fassade zu verbergen, sondern sie wirklich auszuleben, denn sonst erstickt man daran."
Erik wusste wovon er sprach, er wusste es ganz genau.

Ihre kornblumenblauen Augen bohrten sich in seine. "Wenn ich sie ausleben würde, wäre ich eine Gefahr für alle Engel"
Ich muss sie verbergen, ich will niemandem wehtun...niemanden verletzen. Ich will nicht fallen, ich will nicht weinen und schreien.
Alles was ich will ist lachen zu können.

Ihr bohrender Blick war fast schon unangenehm, doch er erwiederte ihn standhaft.
"Bist du dir da so sicher? Ich glaube, dass Tränen, Schreie, all das, wenn sie immer in dir bleiben dich mehr auffressen, als wenn du sie einmal rauslässt, dich vielleicht jemand in den Arm nimmt, dir die Tränen wegwischt und dich vor dem Herabfallen beschützt, denn dann ist der Schmerz verschwunden. Vielleicht bist du irgendwann einmal meiner Meinung oder du probierst es irgendwann einmal aus. Wie du willst, es ist nur meine Erfahrung."
Er verstummte wieder und betrachtete die wunderschöne, nahezu perfekte Rose, auf der ein paar Regentropfen abperlten.

Sie sah die Rose an, die nahezu perfekte Beschaffenheit der Blüten. "Wer würde das tun?", sagte sie, so leise, dass es fast nicht zu hören war. Wer würde mich halten, mich auffangen? Die einzige die das je getan hat ist tot.
Dann sah die Direktorin wieder zu Erik und lächelte leicht. "Danke für deine Gesellschaft"

Zuerst konnte er sie fast nicht verstehen, außer ein paar Brocken, doch die Buchstaben ergaben in seinen Gedanken Worte und so einen Sinn. Zuerst war ihm nicht ganz klar, was er antworten sollte, dann fiel ihm etwas ein, doch er ließ es am Ende lieber. Seine Gedanken jedoch konnte er nicht unterdrücken, wie sollte man das auch?
Es gibt sicherlich jemanden, vielleicht sogar in ihrer Nähe. Es ist eventuell sogar möglich, dass ich diese Person kenne. Wir werden sehen...
Er senkte seinen Kopf und setzte sich wieder zurück, da er aufgestanden war um die besonderen "mitternachtsblauen" Rosen, wie er sie schon nannte, zu betrachten.
"Danke für deine Gesellschaft", bedeutet das Gehen? Er war sich nicht ganz sicher und sah Liv-Ciel fragend an.

Verwundert las sie seine Gedanken. Was meinte er damit? Wer war bereit all das zu tun?
Die nächsten Gedanken hingegen ließen sie leise lachen.
"Nein, dass heißt nicht Gehen, jedenfalls nicht wenn du bleiben willst", lächelte sie.
"Es tut mir gut, wenn du da bist", gab sie zu, lehnte sich zurück und schloss die blauen Augen.

"Danke, dasselbe Kompliment, falls ich es als solches verstehen darf, möchte ich nur allzugerne zurückgeben. Ich schätze deine Gesellschaft sehr."
Er lächelte leicht und merkte, dass sie nicht mehr auf seine Gedanken zuvor eingegangen war.
"Betrachtest du es als so unmöglich, dass es so jemanden geben könnte?" fragte er teils interessiert, teils ungläubig.
In der Zwischenzeit lehnte er sich zurück und spürte den kühlen Marmor des Pavillons im Rücken. Er nahm das plätschernde Geräusch des Wassers war und dachte daran, wie gerne er wohl jetzt schwimmen würde, doch er schob den Gedanken beiseite, denn seine Wasservorliebe konnte er sich auch noch für später aufheben.

Sie vernahm seine Gedanken. Interessant..ich glaube ich weiß was seine Fähigkeit ist.
Leicht lächelte sie in sich hinein, dann antwortete sie auf die Frage. "Nicht unmöglich, aber unwahrscheinlich"
Bisher habe ich nur eine Person getroffen, bei der ich meine innersten Gefühle preisgab und diese ist tot. Gibt es den mehr als einen Seelenverwandten oder Vertrauten in einem Leben? Wie wahrscheinlich ist es, ihn oder sie zu treffen, wo ich doch immer hier bin, niemals unterwegs?

"Tja wie du meinst. Wir werden sehen", antwortete er eher geheimnisvoll.
Er wandte sich erneut den Rosen zu und betrachtete sie für einige Zeit. Jedes noch so kleine Wassermolekül auf diesen fiel ihm auf und auch das Wasser des Teiches faszinierte ihn, doch rasch wandte er sich wieder seiner eigentlichen Gesprächspartnerin zu.
Erik genoss die Stille für einige Augenblicke und sagte einfach nichts um den Moment zu genießen, während er nachdachte.
Ich muss unbedingt wieder meinen Bruder besuchen!

Schweigend verfolgte sie seine Gedanken, während sie auf den Teich sah. Sie stand auf und ging zu diesem hinüber.
Am Rand der Quelle blieb sie stehen und sah auf das Wasser. Ihr blickte eine Frau entgegen, deren kornblumenblaue Augen
fröhlich wirkten und deren weiße Flügel ihr eine freundliche, reine Ausstrahlung gaben. Aber desto länger sie hinsah, desto mehr
schwand das Bild, für einen Augenblick sah sie eine andere Person, deren Gesicht Hass zeigte und aus deren Rücken blutrote Flügel ragten. Sie schüttelte den Kopf. Nein, so wollte sie nie sein.

Während Liv-Ciel sich selbst in ihrem Spiegelbild ansah, stand er vollkommen lautlos auf und ging zu dem Teich hinüber, ohne auch nur ein Geräusch zu machen. Er trat hinter die über das Wasser gebeugte Liv-Ciel und sah ebenfalls ihr Spiegelbild an, ohne das man seines an der Oberfläche sehen konnte. Er sah sich ihre schneeweißen Federn, die er selbst einmal besaß, an und ihr so strahlendes, leuchtendes, glitzerndes und schönes Antlitz. Plötzlich bewegte sich das Wasser leicht, es war eine sanfte Welle, die aus dem Teich herauskommen zu schien. Sie bildete eine noch nicht erkennbare Figur, die langsam Gestalt einer Seerose annahm. Zärtlich schien diese wunderschöne Seerose aus Wasser über die Oberfläche zu gleiten, an Liv-Ciels Spiegelbild vorbei.
Erik lächelte, den diese Seerose war einzigartig, so ungewohnt, aber genauso funkelnd schön, wie Liv-Ciel. Ihm war klar, sie würde, all das, was er dachte hören, aber es war ihm in diesem Moment egal. Es war doch eigentlich nur ein Kompliment. Er ging wieder zurück und setzte sich, während er immer noch die in voller Blüte schwimmende Wasserseerose betrachtete. Natürlich war das sein Werk gewesen.
Als er den Schmerz zuvor auf ihrem Gesicht erkennen konnte, vermutete er, was ihr gerade durch den Kopf ging.
Du fällst nicht, du bist stark und durch und durch gut.

[*seufz* wie romantisch, also erik könnte man sich doch mal fürs real life ausleihen *_*]

Liv-Ciel bemerkte die ungewöhnliche Seerose und betrachtete sie fasziniert, als sie Eriks Gedanken hörte.
Sie errötete und drehte sich zu ihm um. So dachte er über sie? Strahlend schön? Seine nächsten Gedanken
verwirrten sie noch mehr. Stark und durch und durch gut. Die Worte taten ihr gut, waren Balsam für ihre Seele.
Tief in ihrem Inneren keimte Hoffnung auf, Hoffnung nicht zu fallen. Gerne wollte sie Erik glauben.
Sie ging zu ihm zurück, beugte sich vor und gab ihm einen kurzen Kuss auf die Wange. "Danke", flüsterte sie.

(du hast recht *schmacht* so einen romantischen freund hätte ich auch gerne...XD)

Erik war mehr als überrascht über den kurzen Kuss auf seiner Wange. Er hatte mit vielem gerechnet, aber nicht damit. Etwas verwirrt sah er sie an, doch dieser Blick löste sich bald in einem herzlichen Lächeln auf.
"Ich danke dir", flüsterte er ebenfalls und legte dann seine Hände auf seinen Schoss. Er lehnte sich wieder nach hinten und betrachtete Liv-Ciel für eine Weile. Dann, nach einigen verstrichenen Sekunden sah er wieder in den Garten, der in dem Sonnenlicht erstrahlte, doch auch wenige Schattenseiten, die durch die Hecken entstanden, konnte man erkennen.
Mit einer unglaublich weichen Stimme sagte er, weiter in den Garten blickend:" Es gibt immer Licht- und Schattenseiten. Das eine existiert ohne dem anderen nicht. Schönheit nicht ohne Hässlichkeit, Liebe nicht ohne Hass, Feuer nicht ohne Wasser und Glück nicht ohne Unglück. Wenn es nicht so wäre, würden wir beides nicht kennen. Das Leben wäre langweilig, nicht mehr lebensweit. Wichtig ist es vom Schatten wieder in das Licht zu kommen. Manchmal gibt es Menschen, die einem die Hand reichen, doch man muss diese annehmen. Sich selbst aufzurappeln ist oft schwerer."
Er verstummte wieder und dachte dabei kurz an sich selbst, dann lächelte er in sich hinein.
Ich sollte aufhören so ernst zu sein.

Liv-Ciel lauschte seine Worten fasziniert. Was er sagte, stimmte. Ohne Schatten kein Licht. Auch über seine anderen Worte dachte sie nach. Er hatte Recht, wenn jemand eine Hand hinhielt um einem aufzuhelfen, musste man diese auch ergreifen.
Er ist sehr weise, dabei ist er kaum älter als ich. Was ihn das Leben wohl gelehrt hat?
"Du bist nicht zu ernst. Du findest genau die richtigen Worte um einen zum Begreifen zu bringen, du baust einen auf und
trotz der weisen Worte hast du ein Lächeln auf dem Gesicht. Sei du selbst, denn deine Art ist gut so wie sie ist"

Er sah ihr tief in die Augen und musste erneut lächeln.
"Es ist so...anders mit dir. Ich bin das nicht gewohnt. Es kommt mir so vor, als würden wir beide voneinander lernen, beide uns irgendwie verstehen und als würden wir uns schon so lange kennen, obwohl ich dich erst heute zum ersten Mal gesehen und getroffen habe. Seltsam, was das Leben so mit sich bringt und welche Überraschungen oder Begegnungen es uns schenkt."
Sie ist viel weiser, als das Alter vielleicht vermuten lässt.

"Da stimme ich dir zu", lächelte sie. "Man glaubt man wüsste was einen erwartet, aber in Wahrheit wartet hinter jeder Ecke eine neue Herausforderung, eine neue Begegnung, ein neues Rätsel das gelöst werden will. Als sie seine Gedanken vernahm, fing sie an zu lachen. "Du denkst exakt dasselbe wie ich über dich"

"Wirklich? Tja, dabei bin ich hier nicht der Gedankenleser."
Er stimmte in ihr Lachen ebenfalls ein und wurde danach wieder ernster, während er seine Stirn leicht runzelte.
"Du hast Recht, aber was wäre denn das Leben ohne den Rätseln, Herausforderungen und Begegnungen? Über was sollte man da denn noch nachdenken bzw. über was sich freuen?" Er lächelte charmant.
"Und freust du dich schon auf den Unterricht der Schüler?"

"Natürlich", nickte sie und lachte dann.
"Auch wenn es erfahrungsgemäß eine ganz schöne Arbeit ist, diese Rasselbande in den Griff zu kriegen"
Bei diesen Gedanken fiel ihr etwas ein.
"Das erinnert mich daran, dass ich noch den Vorhof reparieren muss...das sollte ich wohl bald tun"