Die Leseecke

---------------------------------------------------------------------------------------------
Erik irrte durch die vielen Gänge und verlief sich, denn eigentlich wollte er woanders hin, doch als er in der Bibliothek landete war ihm das nicht so unrecht. Er sah sich eine Weile um, ging durch die riesigen Räume voller neuer und alter Bücher. In der Luft lag dieser Geruch von Papier und es war eine herrlich warme und altmodische Stimmung in diesem schon älteren Gemäuer. Er strich sanft über Buchrücken und überflog die Titel. Ein Buch fiel ihm besonders auf und er blieb dabei hängen. Es handelte von magischen Verbindungen unter Engeln, Seelenverwandtschaft und was die verschiedenen Engelsarten machen konnten mit ihren Fähigkeiten, wenn es um ihren Liebsten oder um ihren Seelenverwandten ging. Erik hatte schon ein paar Mal davon gehört. Er suchte sich einen Platz und fand ein richtigen Idyllischen. Ein Fensterbrett mit Pölstern und Decken, wo man sich es richtig gemütlich machen konnte. Das Sonnenlicht fiel schräg hinein und so bot dieser Platz genügend Licht. Er setzte sich, legte ein paar Polster hinter seinen Rücken und begann zu lesen, während er immer wieder aus dem großen Fenster sah auf das wunderschöne Meer hinab, dass sich in faszinierenden Farben brach.

Seraphina betrat die rießige Bibliothek, die aus mehreren Räumen bestand. Sie durchquerte den ersten. Die Räume waren nur durch Türrahmen von einander getrennt und so sah sie, dass es im Raum danach Fenster gab und durchschritt auch diesen.
Sie sah, dass auf einem der Fensterbänke der junge Mann saß, sie erinnerte sich daran, dass er Erik hieß, der sich bei Liv-Ciel als Lehrer angemeldet hatte. Das er Kriegerengel war, hatte er zwar auch gesagt, doch es war auch dank seiner Flügel auch so nicht schwer herauszufinden.
"Hallo.", grüßte Seraphina ihn, während sie einen der Fensterflügel öffnete. "Ich hoffe das ist okay.", sagte sie und wieß auf das Fenster.

Ist das nicht das Mädchen, dass ebenfalls im Büro war, als ich mich bei Liv-Ciel anmeldete....? Wie war noch gleich ihr Name? .....Seraphina, genau, ebenfalls ein Kriegerengel, wie ich sehe.
"Ja, kein Problem. Heute ist es sowieso so sonnig und angeblich soll es heute recht warm werden."
Er lächelte freundlich und schlug das Buch zu, legte es beseite und musterte das noch recht junge Mädchen kurz und unauffällig.
"Und was treibt dich in die Bibliothek an einem so schönen Sommertag?" fragte er mit freundlicher Stimme.

Seraphina wusste selbst nicht, was sie darauf antworten sollte. Sie war einfach durch die Gänge gelaufen und hatte sich umgesehen und da sie Bücher mochte...
"Ich hab mich ein bisschen umgesehen.", erklärte sie.
"Und die Fenster. Deshalb bin ich hier herein gekommen.", fügte sie noch fröhlich lächelnd hinzu.
"Und was machen Sie hier?", fragte sie indem sie die Höflichkeitsform benutzte, da er immerhin ihr Lehrer war.

"Tja, ich habe mich ein wenig verlaufen. Ich wollte eigentlich woanders hin, aber dann bin ich auf diesen wunderbaren Ort gestoßen, die Bibliothek. Da ich ein großer Bücherwurm bin und diese gemütlichen Fenster gesehen habe, war mir sofort zum Lesen zumute."
Er sah Seraphina mit ruhigen, klaren Augen an.
"Ach ja, du kannst du zu mir sagen. Das Sie klingt so förmlich", er lächelte leicht.
Sie wirkt sehr fröhlich im Vergleich zu anderen Schülern.....oder ist das nur Fassade?

"Wie Sie..ähm..du meinst.", sagte Seraphina und grinste.
"Ich lese auch ganz gerne, wobei ich bis jetzt eher einseitige Literatur genossen habe.", erzählte sie und fügte erklärend hinzu: "Heilkunst." Wobei sie ein wenig die Augen verdrehte.
Sie wusste, dass man mit seiner Fähigkeit nicht angeben sollte oder sie ununterbrochen einsetzten, doch da sie weder das Gefühl hatte Erik beeindrucken zu müssen, noch das Bedürfnis sie 'ununterbrochen' einzusetzen, fand sie, dass es nicht schlimm war, dass sie jetzt anfing, im Geiste mit dem Wind vor dem Fenster zu spielen.
Sie ließ ihn durch die Blätter eines nahmen Baumes fahren, wobei einiges an Laub abfiel.
Seraphina beherrschte ihre Fähigkeit nur in gewissem Maße. Sobald sie versucht hatte, aus dem Wind, oder Luftzug einen großen Sturm zu machen, verlor sie die Kontrolle darüber. Bisher war nichts schlimmeres passiert, als das sie einen Baum oder einen Engel aus dem Gleichgewicht gebracht hatte.
Niemand war bisher verletzt worden, außer vielleicht eine Fliege.

"Verstehe, Heilkunst, naja sehr interessant, aber auf Dauer etwas....wie soll ich sagen, eintönig."
Er lächelte, hörte aber plötzlich ein sanftes, leises Schlagen von Zweigen gegen das Fenster. Er drehte sich um und hätte schwören können, dass vorher noch kein Wind über das Land leicht fegte. Die Bäume bewegten sich im selben Takt hin und her, als würden sie sich zu einer Melodie, der Melodie des Waldes bewegen.
Er wandte sich an Seraphina:" Beeindruckend, das Kriegermädchen des Windes."
In Eriks Augen lag Bewunderung, doch sogleich stellte er die nächste Frage:" Keine leichte Fähigkeit, möchte ich meinen. Hast du sie denn immer unter Kontrolle, vor allem bei starken Gefühlsausbrüchen? Nicht, dass ich es dir nicht zutrauen würde, aber der Wind hat manchmal seine Tücken, aber das weißt du vermutlich besser, als ich."
Erneut zogen sich seine Mundwinkel leicht nach oben.
Wie lange Liv-Ciel wohl noch Aufnahmegespräche führen muss? Hoffentlich findet sie mich hier überhaupt, aber wahrscheinlich durch die Gedanken....

"Wenn ich mehr als das...", Seraphina wieß nach draußen,"...machen will hab ich schon Schwierigkeiten es zu Kontrollieren." Sie grinste verlegen. "Ich habe eine Weile gebraucht, bis ich den Dreh raus hatte. Der Wind und die Luft ist nun mal das Element der Engel. Ich weiß bis jetzt noch nicht, ob das gut oder schlecht für micht ist.
Ich meine, der Wind ist extrem eigenwillig, anders als zum Beispiel die Erde. Es gibt mehr Stürme als Erdbeben auf der Welt.", erklärte Seraphina. Sie wusste selbst nicht, warum sie das erzählte. Deshalb fragte sie aus Interesse und Höflichkeit. "Was ist deine Fähigkeit?"

"Du hast vollkommen Recht", antwortete Erik überzeugt, denn er hatte genug Lektüre zu diesem Thema gelesen.
"Der Wind ist sehr eigenwillig, aber dafür kann er auch verträumt, ruhig und liebevoll umsorgend sein. Er bietet den Menschendie Möglichkeit sich auf dem Wasser fortzubewegen nur mit der Hilfe von Segeln und einem Boot. Er erfrischt so manch heißen Sommertag und bringt die Natur in neue Blüte. Er vertreibt die Wolken und bietet Licht und ermöglicht es, dass Vögel fliegen können, schafft es auch Wellen ins Rollen zu bringen. Also ich würde sagen, der Wind hat durchaus positive Seiten, aber die Kontrolle über ihn ist, wie du schon sagtest so eine Sache, wie ich mir vorstellen kann."
Er verstummte wieder und sah in ihre Augen.
"Erde ist vielleicht bodenständiger und viel ruhiger, aber auch nicht unbedingt leicht zu beherrschen. Das Feuer stelle ich mir nicht viel einfacher vor."
Er lächelte als er ihre Frage hörte.
"Naja, ich kann von Glück reden, dass ich auch das Geschenk erhalten habe, eines der vier Elemente beherrschen zu dürfen. Bei mir ist es das Wasser."
Erik ging jedoch nicht weiter darauf ein.

"Kann man wohl sagen.", sagte Seraphina, wobei sich das sowohl darauf bezog, dass man von Glück reden konnte, eines der vier Elemente zu beherrschen, also auch auf das, was Erik über die Schwierigkeit des Beherrschens einer dieser Fähigkeiten gesagt hatte.
"Was unterrichtest du?", wechselte Seraphina das Thema, wobei sie ihren lange weißen Zopf, der ihr über die Schulter gerutscht war, nach hinten warf.

Erik antwortete ihr, während er feststellte, dass das Element Luft durchaus ausgezeichnet zu Seraphina passte.
"Nun ja, als Kriegerengel liegt es nicht fern, dass ich Sport und Schwertkampf unterrichte." Man musste auch sagen, dass man ihm das Sportliche und Durchtrainierte ansah, aber wie sollte es anders sein?
"Und dann werde ich mich noch jedem einzelnen Schüler widmen und mit ihm die einzelnen Fähigkeiten trainieren, versuchen in Kontrolle zu bringen usw. usw. Das wird sicherlich eine Herausforderung, aber einer dieser, auf die ich mich schon sehr freue."
Er lächelte freundlich und fragte dann:" Welche Fächer hast du denn gerne?"
Erneut schweiften seine Gedanken kurz zu Liv-Ciel ab, doch sofort war er wieder beim Gespräch.

Seraphina grinste. "Schwertkampf und Sport?! Nein, also Schwertkampf mag ich wirklich, auch wenn ich nicht gerne töte.", sagte sie und schaute ihn mit einem ernsteren Gesicht an. "Das klingt vielleicht komisch, wo ich doch Kriegerengel bin. Es ist einfach so, dass ich das Böse besiegen möchte und nicht tatenlos zusehen möchte. Als ich klein war kamen viele Engel zu meinen Eltern, wenn sie verletzt waren. Meine Eltern heilten jeden, egal ob gut oder böse. Das fand ich nicht okay, denn war hatte das für einen Sinn?"
Sie blickte kurz aus dem Fenster. "Naja, Sport mag ich auch ganz gerne, auch wenn es nicht mein Lieblingsfach ist."

"Das freut mich, aber es ist irgendwie recht schlüssig, dass du Schwertkampf gerne hast. Du bist ein Kriegerengel und diesen liegt es nun einmal im Blut zu kämpfen, sie haben auch das Talent dafür."
Er lächelte leicht und hörte ihr aufmerksam zu, als sie von ihren Eltern erzählte.
"Naja, deine Eltern, finde ich, hatten recht, jeden zu heilen, egal ob gut oder böse. Eigentlich hat niemand das Recht über gut oder böse zu urteilen, auch nicht wir. Es gibt nichts auf der Welt, was nur schwarz oder nur weiß ist, das meiste ist leider dunkelgrau, selten gibt es hellgraues. Deshalb, besonders als Heilerengel, kann ich gut nachvollziehen, warum deine Eltern jedem Engel halfen wieder auf die Sprünge zu kommen."
Eine friedliche und ruhige Mimik legte sich über sein Gesicht. Er dachte daran, wie viele er schon getötet hatte, was ihm noch heute zu schaffen machte. Damals, als er noch jung war, aber schon im Krieg kämpfen musste, hatte er dieselbe Perspektive für Gut und Böse, wie Seraphina, doch diese hatte sich längst geändert. Durch seine Erfahrungen wurde er augenblicklich reifer, erfahrener und lernte viele Dinge über die Welt und die Menschen, wie auch über die Engel.

"Du magst vielleicht recht haben, was das Gut und Böse betrifft. Aber dennoch fand ich es damals schlimm. Wenn meine Eltern einen Engel geheilt haben, der anderen wehtat und nur einen Tag später kam ein anderer Engel, halb-tot, der von eben diesem verwundet wurde.", erklärte Seraphina. Sie wirkte das erste Mal seit sie hier war ein wenig traurig.
"Das ist einfach nicht fair.", sagte sie trotzig.

Erik seufzte leise und sah für einige Momente beim Fenster hinaus, bevor er sich wieder Seraphina zuwandte.
"Tja, der Lauf des Lebens. Jeder folgt seiner Bestimmung oder seinem Trieb. Manche werden verleitet von der Verlockung zu töten, manche widerstehen dieser Verführung und setzen sich für das Gute ein. Jedenfalls solltest du deinen Eltern keinen Vorwurf machen, denn es gibt Engel, die zuvor getötet haben, dann später schwer verletzt wurden und dann geläutert sind, sich also wieder besinnen und auf den richtigen Weg kommen. Ich bin mir sicher, teilweise gab es solche Patienten auch oder? Es ist nicht leicht als Heilerengel, da kommt jemand auf allen Vieren verwundet und kurz vor dem Tod, bittet um Hilfe, ist aber ein z.b. gefallener Engel. Ich denke die Entscheidung ist nicht sehr einfach, vor allem weil Heilerengel in ihrem Wesen doch zu Hilfe neigen, im Gegensatz zu Kriegerengeln, die zwar hoch angesehen sind, aber doch viel mit Waffen lösen. Nicht, dass ich ihnen Brutalität oder Gewalt vorwerfe, aber es eben ihr Weg für Konfliktlösung."
Er atmete tief durch, lächelte dann aber wieder.

Seraphina schien nicht mehr allzu interessiert am Gespräch oder sie war gerade vertief in ihre Gedanken.
Erik legte das Buch beseite und entschuldigte sich dann höflich:" Es macht dir sicherlich nichts aus, wenn ich mich jetzt verabschiede, aber ich wollte hier noch ein wenig herumstöbern. Es hat mich gefreut dich kennenzulernen und wir werden uns sicherlich noch im Unterricht öfters begegnen."
Erneut lächelte er höflich und ging dann in einen anderen Bereich der Bibliothek, während er vielleicht etwas zu intensiv über Liv-Ciel nachdachte und wann sie wohl fertig war mit den Gesprächen mit den Schülern.
Erik wollte es nicht zugeben, aber irgendwie beschäftigte ihn diese Frau mehr als ihn andere bis jetzt beschäftigt hatten.

-> Abteil 7

Seraphina war so in Gedanken versunken gewesen, dass sie ganz vergessen hatte, dass sie Erik noch eine Antwort schuldig war.
Erst als er sich entschuldigte und ging, schreckte sie auf. Sie murmelte ein leises "Macht nichts." hinter ihm her, doch er hörte es höchst wahrscheinlich nicht mehr.
Der junge Kriegerengel erhob sich und schloss das offene Fenster, bevor er die Bibliothek verließ um sich auf die Suche nach einem neuen Gesprächspartner zu machen. Der beste Ort dazu waren wohl die Räume der Schüler.